Irak wird für die USA teurer als Vietnam
94 Milliarden Dollar Kosten in diesem Jahr
Von Max Böhnel, New York*
Erneut verlangt die USA-Regierung eine Aufstockung der Ausgaben für den Irakkrieg, und
angesichts der Kostenexplosion wird es nicht die letzte sein.
Die Kosten für den Irakkrieg haben sich seit Beginn der USA-Invasion vor mehr als drei Jahren fast
verdoppelt, wie das unabhängige »Center for Strategic and Budgetary Assessments« in Washington
ermittelte. Dabei ergibt sich wegen der Reparatur- und Neuanschaffungskosten für die zerschlissene
Kriegsmaschinerie und die Entwicklung von modernerem Tötungsgerät eine steigende Tendenz. Im
laufenden Jahr werden die Kosten auf 94 Milliarden Dollar geschätzt, was für jeden amerikanischen
Haushalt eine Sonderrechnung von 1205 Dollar bedeuten würde.
Die Ausgaben und die Haushaltsprioritäten Washingtons werden in dieser Woche zu hitzigen
Debatten im Senat führen, der den umfangreichsten Sonderantrag der US-amerikanischen
Geschichte berät. Der Entwurf sieht 106,5 Milliarden Dollar Extraausgaben vor, davon allein für die
Kriege in Afghanistan und in Irak 72,4 Milliarden. Die präsentierte Rechnung ist die fünfte seit Beginn
der Irakinvasion im März 2003. Derzeit gibt die USA-Regierung monatlich fast zehn Milliarden Dollar
für die Kriege in beiden Ländern aus, ermittelte unlängst der »Congressional Research Service«,
eine dem Kongress unterstehende Institution. Im letzten Jahr lag die Summe bei 8,2 Milliarden
Dollar.
Die Personalkosten werden Regierungsangaben zufolge im laufenden Jahr zwar um 14 Prozent
sinken. Doch die Ausgaben für Reparaturen, den Ersatz und die Anschaffung von Kriegsmaterial
werden um ein Drittel in die Höhe schießen, wie der »Congressional Reserach Service« in
Anhörungen herausfand. Die entsprechenden Kosten hatten zu Kriegsbeginn bei 2,4 Milliarden
Dollar gelegen und betragen heute mehr als das Zehnfache.
Hubschrauber, Panzer, Truppenfahrzeuge und selbst kleinkalibrige Waffen erfordern nach Angaben
des »Army Materiel Command«, das das Kriegsgerät wartet, mehr Zeit und Geld für die
Instandhaltung als geplant. Der Army-Sprecher Gary Motsek meinte USA-Medien zufolge, das
Kriegsgerät sei »völlig heruntergewirtschaftet«. Sogar funktionierende Ausrüstung von Armee- und
Marineeinheiten werde derzeit in fünf Stützpunkte innerhalb der USA zur Aufarbeitung
zurückbefördert. Dies betrifft beispielsweise rund 700 Hubschraubermotoren und 600 »Bradley«-
Fahrzeuge.
Dabei geht es aber nicht nur um Reparatur- und Aufrüstungsarbeiten innerhalb der
Armeestützpunkte in den USA. Darüber hinaus sind mehr als 50 000 Arbeitskräfte – die meisten
davon werden vom Pentagon beauftragt – in Irak und in dessen Nachbarländern mit Pflege und
Wartung von USA-Kriegsgerät beschäftigt. Nach Angaben, die Army-Chef General Peter Shoomaker
vor dem Militärausschuss des Senats im Februar machte, werden solcherlei Kosten noch lange nach
einem Truppenrückzug aus Irak anfallen. Die US-Army vollständig auszurüsten und auf den
neuesten Stand zu bringen, würde innerhalb von sechs Jahren rund 36 Milliarden Dollar kosten,
warnte der General.
Die jährlichen Kosten für den Irakkrieg sind seit Monaten höher als die Gelder, die der Vietnamkrieg
pro Jahr zwischen 1964 und 1972 verschlungen hatte. Auf heutige Dollarwerte umgerechnet, hatte
Vietnam die amerikanischen Steuerzahler Jahr für Jahr 61 Milliarden Dollar gekostet.
* Aus: Neues Deutschland, 25. April 2006
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