Iraks Ölkrise auf dem Höhepunkt
Niedrigster Export seit 2003 / Drastische Heraufsetzung der Benzinpreise
Von Karin Leukefeld
Zur Jahreswende hat Iraks Ölkrise einen neuen Höhepunkt seit der USA-geführten Invasion 2003
erreicht. Im Norden des Landes wird überhaupt nicht mehr gefördert.
Nach Auskunft von Achmed Dschihad, Sprecher im irakischen Ölministerium, wurden Ende 2005
täglich nur 1,1 Millionen Barrel Öl ausgeführt, im November waren es noch 1,2 Millionen.
Verantwortlich für den Exportrückgang sei die Unsicherheit im Lande. Außerdem habe in den
südlichen Verladestationen bei Basra das schlechte Wetter die Arbeit eine Woche lang behindert,
Stromausfälle hätten die Ölpumpen zum Stillstand gebracht.
Auf den nördlichen Ölfeldern bei Kirkuk wird schon seit Monaten kein Öl mehr gefördert, nachdem
immer wieder Anschläge auf die Pipelines verübt worden sind.
Erschwerend kommt neuerdings hinzu, dass Mitarbeiter der größten Raffinerie des Landes im 40
Kilometer nördlich von Bagdad gelegenen Beiji ihre Arbeit eingestellt haben. Die Anlage, in der
normalerweise täglich sieben bis acht Millionen Liter Benzin produziert werden, wurde Mitte
Dezember geschlossen, weil die Fahrer von Tanklastzügen mit dem Tode bedroht worden waren.
Verschärft hat sich die Krise durch die massive Preissteigerung für Kraftstoff zu Jahresende.
Ölminister Ibrahim Bahr al-Ulum hatte die bis zu sechsfache Erhöhung kritisiert und war daraufhin
ventlassen worden, zumal er eine »sozial angepasste« langsame Preissteigerung forderte und sich
damit gegen den Internationalen Währungsfonds stellte. Der IWF hatte die Bewilligung eines Kredits
ivon 685 Millionen US-Dollar von der Benzinpreiserhöhung abhängig gemacht. Das Abkommen mit
dem IWF wurde am 23. Dezember unterzeichnet, gleichzeitig schnellten die Preise in die Höhe.
Seit Jahrzehnten sind die Iraker an einen durch staatliche Subventionen niedrigen Benzinpreis von
umgerechnet 5 bis 20 Cent gewöhnt. Die Preiserhöhung, die von der Regierung damit gerechtfertigt
wird, dass man Schmugglern und Schwarzmarkthändlern das Handwerk legen wolle, löste Wut und
Verzweiflung aus.
Anstelle von Al-Ulum übernahm Vizepräsident Achmed Tschalabi, der den Ölrat, ein Gremium auf
Regierungsebene, leitete, nun auch das Ministerium. Vor dem Irakfeldzug war er der
Wunschkandidat des Pentagons für den Posten des Saddam-Hussein-Nachfolgers. Bei einem
Treffen mit Vertretern der Energiewirtschaft erläuterte Tschalabi damals den Wiederaufbau der
irakischen Ölindustrie und verkündete, die US-amerikanischen Firmen würden nach einem Krieg
»gut vom irakischen Öl profitieren«.
Bei vielen Irakern ist Tschalabi unbeliebt. Wegen seiner lukrativen, undurchsichtigen Geschäfte
nennt man ihn auch »Ali Baba«. 2004 fiel er kurzfristig in Ungnade bei der USA-Regierung, doch vor
den Dezemberwahlen konnte er sein Comeback feiern: In Washington wurde er von Vizepräsident
Dick Cheney und Außenministerin Condoleezza Rice empfangen. Als »bester Freund der USA in
Irak«, wie er sich selber nennt, wird er sich nun wohl auch in der neuen Regierung um die
Ölgeschäfte kümmern.
Iraks Ölexporte machen derzeit 97 Prozent der Staatseinnahmen aus. Von diesem Geld komme
allerdings kaum etwas bei den Irakern an, beklagt die britische Nichtregierungsorganisation
»Platform«. In einem Bericht analysiert sie die verzwickten Ölverträge multinationaler Konzerne mit
der irakischen Regierung. Danach fließen bis zu 194 Milliarden US-Dollar aus den staatlichen
irakischen Öleinnahmen in die Kassen eben dieser Konzerne. »Die irakischen Institutionen sind neu
und schwach«, erläutert Greg Muttitt von »Platform«. Die Konzerne nutzten die Instabilität in Irak,
um für sich die besten Konditionen herauszuhandeln. Die irakische Seite werde nicht selten
gezwungen, sich auf Jahrzehnte hin vertraglich zu binden. Es gebe weder eine öffentliche und
demokratische noch juristische Kontrolle.
In den Verträgen verpflichten sich die Konzerne, finanzielle und technische Unterstützung für die
Rekonstruktion der Ölanlagen zu leisten. Im Gegenzug würden sie an den staatlichen Öleinnahmen
beteiligt. Die Rückzahlungsraten liegen der Studie zufolge zwischen 42 und 162 Prozent.
Aus: Neues Deutschland, 10. Januar 2006
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