BRICS – der "neue Wachstumspol"
Fünf-Staaten-Gipfel tagt in Indiens Hauptstadt
Von Hilmar König *
Unter dem Motto »BRICS-Partnerschaft
für globale Stabilität, Sicherheit
und Prosperität« treffen sich
Staats- und Regierungschefs Brasiliens,
Russlands, Indiens, Chinas und
Südafrikas (BRICS) am Donnerstag (29. März) in
Delhi zu ihrem 4. Gipfel. Gastgeber
Indien übernimmt für ein Jahr den
Vorsitz der Staatengruppe.
Auf dem umfangreichen Programm
des Gipfels stehen Themen
wie nachhaltige und ausgewogene
Entwicklung, Nahrungsmittel- und
Energiesicherheit, Klimawandel,
die Eurokrise und Reformen der
internationalen Finanzarchitektur.
Vorgeschlagen wurde jüngst beispielsweise
die Erhöhung der Einzahlungen
der BRICS-Staaten in
den Internationalen Währungsfonds
bei gleichzeitiger Umverteilung
der Quoten in diesem Fonds.
Zu den politischen Themen des
Gipfels werden gewiss auch die
Entwicklungen im Nahen Osten, in
Syrien und Iran gehören.
Die BRICS-Staaten sind sich ihres
wirtschaftlichen, politischen
und strategischen Gewichts bewusst.
Immerhin repräsentieren
sie etwas mehr als 40 Prozent der
Weltbevölkerung, verfügen über
rund ein Viertel der Landmasse
unseres Planeten und weisen bemerkenswerte
Wirtschaftswachstumsraten
auf. Ihre natürlichen
Ressourcen, die menschlichen und
technologischen Kapazitäten sind
längst nicht ausgeschöpft und machen
die Gruppe zu einem wesentlichen
Faktor in der Weltpolitik.
Ganz zu schweigen von ihrem
enormen militärischen Potenzial.
Erklärtes Ziel ist der politische Dialog
über eine demokratische,
multipolare Weltordnung.
Vor der Presse in Neu-Delhi bezeichnete
Sudhir Vyas, Sekretär
für ökonomische Beziehungen im
indischen Außenministerium, die
Gruppe als »neuen Wachstumspol
in einer multipolaren Welt«. Das
habe sich im Verlauf der globalen
Wirtschaftskrise gezeigt, als sie
»eine vitale Rolle spielte und der
Weltwirtschaft half, aus dem
Schatten der Krise zu treten.«
Anand Sharma, Indiens Minister
für Industrie, Handel und Textilien,
schlug in die gleiche Kerbe, als
er sich kurz vor dem Gipfel zuversichtlich
gab, dass die BRICSStaaten
auch künftig schnell
wachsen werden. Zugleich verwies
er darauf, dass »die Risiken für die
Weltwirtschaft, die von der Schuldenkrise
der Eurozone ausgehen,
sowie Unsicherheiten auf den globalen
Energiemärkten« natürlich
auch Auswirkungen auf diese
Staatengruppe haben. Der Gipfel
finde zu einer Zeit statt, da man
sich darum bemühe, eine nachhaltige
Erholung vom globalen
Abwärtstrend zu sichern.
Dem Treffen gingen am Mittwoch (28. März)
eine Zusammenkunft der Handelsminister,
ein Wirtschafts- und
ein Finanzforum mit Vertretern
der Außenhandels- und Entwicklungsbanken
voraus. Nach ihrer
Plenarsitzung am Donnerstag
wollen die Staats- und Regierungschefs
nicht nur eine Deklaration
und ein Aktionsprogramm,
sondern auch zwei Finanzabkommen
unterzeichnen, die sich im
Kern auf die Verwendung von
Krediten in einheimischen Währungen
im Rahmen der Gruppe
beziehen. Der Handel zwischen
den fünf Staaten wächst jährlich
um durchschnittlich 28 Prozent
und hat heute ein Volumen von
ungefähr 230 Milliarden Dollar.
Die ursprünglich BRIC genannte
Gruppe wurde 2006 auf
russische Initiative geschaffen.
Südafrika trat ihr 2010 bei. Der
erste Gipfel fand 2009 im russischen
Jekaterinburg statt. Es folgten
Brasilia 2010 und Sanya in
China 2011. Der nächste Gipfel ist
für 2013 in Südafrika geplant.
* Aus: neues deutschland, 29. März 2012
BRICS-Staaten wollen weiter mit Iran Geschäfte machen
Indien und China haben während des BRICS-Gipfels in Delhi ihre Absicht bekundet, den Handel mit Iran fortzusetzen. Dies meldete am 29. März The Economic Times (das Wirtschaftsfachblatt der Indian Times). Damit widersetzen sich die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Welt den Bemühungen der USA und der EU, ein globales Embargo gegen die iranische Wirtschaft zustande zu bekommen. China und Indien bekamen demonstrative Unterstützung durch die drei anderen Mitglieder des BRICS-Bündnisses, Russland, Brasilien und Südafrika.
Dieser Schritt ist nicht nur von großer politischer Bedeutung, sondern hat auch wirtschaftliche Wirkung. Die BRICS-Staaten sind längst keine vernachlässigbare wirtschaftliche Größe mehr in der Welt. Ihr Anteil am Weltsozialprodukt stieg von 8,4 Prozent im Jahr 2000 auf 18,2 Prozent im Jahr 2010. Damit zogen diese fünf Staaten immerhin mit der EURO-Zone gleich. Einer seriösen Prognose zufolge soll die Wirtschaftsleistung der BRICS-Gruppe bis zum Jahr 2016 auf 23,8 Prozent steigen.
Zwar wird der Westen weiter versuchen, den Iran zu isolieren, nach der Ankündigung von Delhi dürfte das aber nun sehr schwer werden.
Im Folgenden bringen wir einen kurzen Auszug aus dem Originalartikel in The Economic Times, der überschrieben ist mit: "BRICS refuses to side with US in showdown with Iran":
India and China have defiantly declared their intention to continue trading with Iran, rebuffing US attempts to force them and other countries to cut economic ties with Tehran over its nuclear programme.
As both countries raised a banner of revolt at the US-led efforts to economically strangle Iran, they received support from Russia, South Africa and Brazil, in what could resonate around the world as a flexing of muscles by the BRICS powers, the new grouping of emerging powers whose leaders are holding their fourth summit meeting in Delhi this week.
While India and China have reasons to chafe at the US, not least because Iran is a big source of oil to their economies, the apparent sympathy for their stand from the other BRICS countries could drive a wedge in the Western efforts to isolate Iran. Russia and Brazil are self-reliant in oil, while South Africa has other import sources, and all three have no particular reason to humour Tehran. (...)
BRICS-Botschaft
Von Olaf Standke **
Auch Akronyme können den Wandel in der Welt verdeutlichen. BRICS gab es vor einer Dekade noch nicht. Dahinter verbirgt sich eine Staatengruppe, die zunehmend Einfluss auf die globale Entwicklung nimmt. Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika stellen mit rund drei Milliarden Menschen über 40 Prozent der Weltbevölkerung und mehr als ein Fünftel der Weltwirtschaft, mit Wachstumsraten, von denen andere nur träumen können. Selbst wenn sie sich inzwischen abgeschwächt haben. In Zeiten der Finanzkrise erhofft sich sogar mancher konkrete Beiträge der sogenannten Schwellenländer zur Lösung der hausgemachten Probleme in der Eurozone.
So groß die Unterschiede zwischen den BRICS-Staaten selbst auch sind, sie wollen nun mit gemeinsamen Institutionen ihre Zusammenarbeit und ihre Rolle auf der Weltbühne ausbauen. Was um so bemerkenswerter ist, da etwa China und Indien als regionale Konkurrenten gelten. Deshalb stand auf der Tagesordnung des gestrigen Gipfels in Delhi die Gründung einer gemeinsamen Investitionsbank, die grenzüberschreitend Entwicklungs- und Infrastrukturprojekte finanzieren soll - als Alternative zum Internationalen Währungsfonds und zur Weltbank, die trotz aller Kräfteverschiebungen noch immer von den USA, Japan und den europäischen Industriestaaten dominiert werden und sich nach Meinung der BRICS-Staaten viel zu langsam reformieren. Doch nicht nur Chinas Staatschef Hu Jintao weiß: Wollen sie ihr internationales Gewicht erhöhen, müssen sie neben der Kooperation in Wirtschaft, Handel und Finanzen auch das »politische Vertrauen« untereinander weiter vertiefen.
** Aus: neues deutschland, 30. März 2012
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