Premier der Salomonen warf das Handtuch
Wieder Ruhe im südpazifischen Inselstaat
Von Boris B. Behrsing , Sydney*
Nach dem Rücktritt den neuen Premiers Snyder Rini normalisiert sich das Leben im südpazifischen
Inselsstaat der Salomonen wieder.
In den Straßen, in denen vor einer Woche Demonstranten noch chinesische Geschäfte zerstörten
und plünderten, Kraftfahrzeuge in Brand steckten, Regierungspolitiker und australische Polizisten
mit Felsbrocken bewarfen und sogar das Parlamentsgebäude in Brand stecken wollten, jubelten und
tanzten die melanesischen Inselbewohner am Mittwoch vor Freude. Ausgelöst wurde dieser
Umschwung der Gefühle durch den Rücktritt des vom Parlament gewählten, in der Bevölkerung aber
unbeliebten Snyder Rini.
Sogar einige von Rinis Fraktionskollegen hatten sich auf die Seite der Opposition gestellt und
wollten den Regierungschef durch ein Misstrauensvotum zu Fall bringen. Doch noch vor der
Abstimmung erklärte Rini am Mittwochmorgen seinen Rücktritt. Er wird als der Premierminister mit
der kürzesten Amtszeit in die Geschichte eingehen. Erst eine Woche zuvor war er in aller
Heimlichkeit vereidigt worden, während schwer bewaffnetes Militär und australische Polizei-
Kommandos das Parlament sicherten.
Rini wird Korruption angelastet, aber im Hintergrund der massiven Protestbewegung steht der
Vorwurf, Rinis Wahl zum Premierminister sei von chinesischen Geschäftsleuten finanziell gefördert
worden. Dabei spielt auch die chinesisch-taiwanesische Rivalität um Einfluss in der südpazifischen
Region eine Rolle. Vielen Salomonen-Bewohnern erscheinen die Verbindungen zwischen ihrer
neuen Regierung und Taiwan zu eng.
Als die Unruhen auf den Salomonen vor einer Woche ausbrachen, schickte Australien sofort eine
600 Mann starke Eingreiftruppe von Soldaten und Polizeibeamten auf die Inseln, die Ruhe und
Ordnung wieder herstellte, das Parlamentsgebäude und die Regierungspolitiker vor
Ausschreitungen in Schutz nahm. Zwei Oppositionspolitiker wurden inzwischen unter dem Verdacht
verhaftet, die Unruhen angezettelt zu haben.
Für die nächsten Tage werden die Formierung einer regierungsfähigen Mehrheit und die Wahl eines
neuen Premiers erwartet. Inzwischen aber sind Hunderte chinesischer Familien, die zur
Hauptzielscheibe der Ausschreitungen geworden waren in – größtenteils australischen –
Militärflugzeugen geflüchtet. Sie bildeten bisher das Rückgrat der Wirtschaft auf dem Archipel. Die
Flüchtlinge werden zum Teil von der Volksrepublik China aufgenommen, andere werden sehr
wahrscheinlich Asylrecht in Australien erhalten, wie Einwanderungsministerin Amanda Vanstone in
Aussicht stellte. Die australische Regierung erörtert im Übrigen Pläne zum Aufbau einer
lebensfähigen Wirtschaft auf den Salomonen, die bis 1978 britische Kolonie waren.
* Aus: Neues Deutschland, 27. April 2006
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