Frankreich kauft US-Drohnen
Streit um "verpasste" Entwicklung der Flugzeuge im eigenen Land
Von Ralf Klingsieck, Paris *
Die Entscheidung der französischen
Regierung, in den USA zwei Drohnen
zu kaufen, um sie im Norden Malis
einzusetzen, ist auf heftige Kritik aus
Politik und Industrie gestoßen.
Ende vergangener Woche hatte
Frankreichs Verteidigungsminister
Jean-Yves Le Drian den Kauf
zweier unbemannter Militärflugzeuge
in Washington vereinbart.
Die beiden Drohnen vom Typ Reaper
sollen schon bald geliefert, in
Frankreich auf europäische Funkfrequenzen
umgerüstet und noch
vor Ende des Jahres im Norden
Malis eingesetzt werden. Sie werden
vom Konzern General Atomics
gebaut, haben einen Aktionsradius
von 6000 km und können in einer
Höhe von 5000 bis 15 000 Metern
mit einer Geschwindigkeit von 400
Kilometer pro Stunde fliegen. Den
Reaper gibt es auch mit Bomben
und Raketen ausgerüstet als
»Kampfvariante«. Allerdings begnügt
sich Frankreich mit seiner
Fernaufklärung durch Infrarotund
Videokameras, deren Bilder in
die tausende Kilometer entfernte
Steuerzentrale übermittelt werden
können. Im Norden von Mali will
Frankreich so die nordöstlichen
Bergzüge überwachen, wohin sich
Reste der von den französischen
Militärs vertriebenen Islamisten
zurückgezogen haben und wo man
auch die sechs französischen Geiseln
vermutet, die Paris unbedingt
finden und befreien will.
Derzeit sind in Mali bereits vier
Drohnen vom Typ Hunter aus israelischer
Produktion im Einsatz,
die eine wesentlich geringere
Reichweite haben als die amerikanischen
Reaper und schon mehr
als zehn Jahre alt sind. »Mit dem
Hunter haben unsere Militärs gelernt,
nicht zuletzt bei den Aufklärungseinsätzen
über Libyen. Doch
jetzt brauchen wir Drohnen mit
wesentlich besseren Leistungen«,
erklärte Jean-Patrick Gavirard,
General der Armée de l'air.
Diese Entwicklung hat Frankreich
vor Jahren »verpasst«, räumt
Verteidigungsminister Le Drian
ein. Beim eigenen Drohnen-Entwicklungsprogramm
hätten die beiden Luftfahrtkonzerne Dassault
und EADS gegeneinander gearbeitet,
statt ihre Potenzen zu vereinen
und auch die Zusammenarbeit
mit Großbritannien und
Deutschland zu suchen. Die 2012
abgewählte konservative Regierung
hatte zwar noch Ende 2011
den Dassault-Konzern mit der
Entwicklung und dem Bau von
leistungsfähigen Drohnen beauftragt,
doch das dafür vorgesehene
Budget war zu klein bemessen und
die Lieferung der ersten Apparate
wurde frühestens für 2025 in Aussicht
gesellt. »So lange können wir
nicht warten«, urteilt der jetzige
Minister. Er will weitere Reaper in
den USA kaufen. Parallel dazu laufen
Verhandlungen mit Israel, dem
zweiten Herstellerland.
In der Frage nach der Herkunft
der Drohnen gehen die Meinungen
aber quer durch die politischen
Parteien auseinander. Während
ein Teil aus pragmatischen Gründen
für den Kauf der ausländischen
Technik plädiert, fordert der
Verteidigungsminister und eine
Mehrheit der linken wie rechten
Politiker, dass die französische Industrie
zusammen mit ihren europäischen
Partnern die Entwicklung
und den Bau einer neuen Generation
von Drohnen vorantreibt,
vor allem um eine nicht hinnehmbare
Abhängigkeit von den USA zu
beenden.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 22. Mai 2013
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